Vom Verlust des Objekts und dem achtsamen Ende der Kritik
„Und nun will ich dir sofort das große Geheimnis anvertrauen, das mir in den letzten Monaten gedämmert hat. Ich glaube an meine Neurotica nicht mehr.“[1] Diese Worte, die Sigmund Freud 1897 an seinen Freund Wilhelm Fließ richtete, markieren die Überwindung der sogenannten „Verführungstheorie“ und damit die Entstehung der psychoanalytischen Theorie und Praxis. Zuvor hatte Freud neurotische Erkrankungen noch auf eine ursprüngliche, in der Kindheit verortete sexuelle Verführung des späteren Patienten durch einen Erwachsenen zurückgeführt. Ausgegangen war er von einer nicht-sexuellen, rein passiven Position des Kindes – Freud bezeichnete die initiale Verführung daher als ein „vorzeitiges Sexualerlebnis“ – und einer aktiven Position des verführenden Erwachsenen. Die Verführung, deren Spektrum Freud zufolge von irritierender Zärtlichkeit der Erziehungspersonen bis hin zu tatsächlichen Übergriffen reichen konnte, sei vom unbedarften Kind als Überwältigung wahrgenommen worden, die folglich verdrängt werden musste und späterhin die Verdrängungsschranke in Form der Neurose überwinden konnte. Als Ursache der Psychopathologie galt Freud demnach ein gleichsam traumatisches Erlebnis, das unvermittelt in die Realität des Kindes eingebrochen sei und nicht anders als in Form des „Sexualschrecks“ hätte beantwortet werden können.[2] Mit seiner ätiologischen Wende von 1897 indes verabschiedete Freud diesen Schematismus „Reales Trauma – passives Erleben“ zugunsten einer triebtheoretisch fundierten Psychoanalyse. Im Verlauf der Analysen hatte sich herausgestellt, dass diese Initialereignisse häufig nicht tatsächlich stattgefunden hatten, sondern lediglich eigene Phantasien und Sexualfixierungen der PatientInnen darstellten – nicht wirkliche, sondern psychische Realität abbildeten. Ohne freilich die Realität von Übergriffen und Misshandlungen jemals in Zweifel gezogen zu haben, ließ Freud nunmehr die herrschende Vorstellung einer kindlichen „Unschuld“ hinter sich und avisierte das Triebleben des Subjekts im Allgemeinen und die „infantile Sexualität“ im Besonderen, wodurch die Unterscheidung von wirklicher und psychischer Realität erst möglich wurde. Die Entwicklung der Psychoanalyse war nichts anderes als die Entwicklung von der Trauma- zur Triebtheorie.
Die „schwere Kränkung“, die Freud mit seiner Fokussierung auf Trieb und Sexus der bürgerlichen Gesellschaft zufügte, der Nachweis also, dass das Subjekt, welches sich stets als autonom und selbstbeherrscht imaginierte, „nicht Herr im eigenen Haus“ sei, blieb von den Anfeindungen enragierter Tugendwächter bekanntlich nicht verschont. Freuds als Frontalangriff auf die bürgerliche Familie und ihre Protagonisten empfundene Theorie wurde daher mal als versaut, mal als ganz und gar unwissenschaftlich abgetan. Vorderhand scheint sich die Psychoanalyse jedoch seither eine gesellschaftliche Akzeptanz erarbeitet zu haben, sind doch viele ihrer Begriffe, wenngleich in vulgarisierter Form, bis in den alltäglichen Sprachgebrauch diffundiert. Allerorten ist mittlerweile von „Verdrängung“, dem „Unbewussten“ oder von „Narzissmus“ die Rede. In geradezu obsessiver Weise wird nunmehr jeder inhaltliche Dissens psychologisiert und als Ausdruck divergierender „Bedürfnisse“ verhandelt – das therapeutische Vorgehen hat sich aus dem Kontext der Analyse gelöst und ist zur allgemeinen gesellschaftlichen Form avanciert. Jeder seines Nächsten Therapeut und Patient zugleich.
Was sich als umfassende Psychologisierung des Subjekts und der ganzen Gesellschaft darstellt, erweist sich indes nicht als Aktualisierung Freudschen Denkens, sondern als ihr schieres Gegenteil. Bereits zu Freuds Lebzeiten hatte sich die postfreudianische Psychoanalyse an der Revision seiner Triebtheorie abgemüht und kommt heute fast ohne einen Verweis auf sie aus. Und auch jenseits der psychoanalytischen Theoriebildung fußt der ubiquitäre Psychologismus nicht auf einer Theoretisierung des Triebes, sondern auf der Inflationierung des Trauma-Bergriffs. Der herrschende Sozialcharakter, von Verunsicherung, Befindlichkeiten aller Art, dem Wunsch nach „Anerkennung“ und einer basalen Instabilität des Ichs gekennzeichnet, fühlt sich der Realität als einem permanenten Trauma ausgesetzt. Wo Anerkennung ausbleibt oder die eingeforderte Harmonie aufgekündigt wird, erscheint das Gegenüber als (re-)traumatsierender Aggressor, der das Ich auf unerhörte Weise zur Auseinandersetzung mit seiner Außenwelt nötige. Es ist daher nur konsequent, dass sich als Reaktion auf diese Unfähigkeit zum Realitätsbezug eine zwar neue Sittlichkeitspolizei und -mentalität etabliert hat, die der alten in Sachen Prüderie jedoch in nichts nachsteht. Das zur empfindsamen Mimose regredierte Subjekt muss stets vor dem schädlichen Zugriff einer bedrohlichen Außenwelt geschützt werden, wofür die Triggerwarnungen, safe spaces und Awareness-Teams sorgen, die aus der Linken schon längst in den gesellschaftlichen Mainstream vorgedrungen sind.
Die offenbare Nicht-Identität allerdings, die zwischen der psychischen Realität der Dauertraumatisierten und der äußeren Realität besteht, legt nahe, dem Dogma des Traumas heute genauso zu misstrauen, wie Freud einst der psychischen Realität der NeurotikerInnen misstraute, die er als Abbild unbewusster Triebdispositionen dechiffrierte. Denn die penetrante Rede vom Trauma verweist weniger auf die reale Zumutungsstruktur einer kapitalistischen Gesellschaft, in der die Individuen zu bloßen Anhängseln eines „automatischen Subjekts“ reduziert sind, also auf ein tatsächlich die Einzelnen erdrückendes, objektiviertes Ganzes, sondern auf eine projektive Verleugnung von Triebhaftigkeit im Moment der psychosozialen Krise des Subjekts, das um seine narzisstische Integrität fürchtet und daher die eigene Triebangst im Modus der Aggression nach außen abwehrt. Der Wunsch nach einem konfliktfreien und symbiotischen Zustand bezeichnet nicht nur – wie zu zeigen sein wird – das Ende jeden Objektbezuges und damit jeder kritischen Auseinandersetzung mit der perhorreszierten Außenwelt, sondern unterstellt zugleich die Möglichkeit einer Versöhnung, in der Ich und Außenwelt zu einem ozeanischen Nichts verschmolzen sind. Das fragile Ich des präödipalen Charakters sucht mittels unterschiedlichster Achtsamkeitspraktiken den Realitätsbezug und letztlich sich selbst ins Nirwana zu verabschieden. Gerade weil die Linke nicht nur als Avantgarde dieser Entwicklung fungierte, sondern noch immer die aggressivste Form narzisstischer Krisenbewältigung in Form ihres identitären Spiegelspiels betreibt, muss sie den dezidierten Gegenstand einer Kritik bilden, die an ihrem negativen Gegenstand mit der Intention seiner Abschaffung festhält.
- Die Krise des bürgerlichen Subjekts
Jede Kritik des Subjekts und jede Analyse seiner Triebdisposition steht vor der Aufgabe, die Vermittlung mit der gesellschaftlichen Objektivität zu leisten, ohne das je eine im anderen aufzulösen. Weder ist Gesellschaft nur die Summe von Individuen und ihren Handlungen, die zu einem Ganzen zusammenschießen, noch eine bloße Struktur, die sich den Einzelnen überstülpt und sich in ihrem Handeln lediglich widerspiegelt. Noch vor aller psychoanalytischen Erkenntnis hat Marx diese innere Gebrochenheit kapitalistischer Vergesellschaftung, die Spannung zwischen objektivierter Form und individueller (Arbeits-)Praxis, auf den Begriff des Fetischismus gebracht: „Um daher eine Analogie zu finden“, kommentiert er das Wesen dieses widersprüchlichen Ganzen, „müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.“[3] Der Fetisch als die Verlebendigung von etwas Totem, Sachlichem figuriert hier nicht nur als Schein eines falschen Bewusstseins, das seinem Gegenstand nicht gerecht würde, sondern als objektiv gültiger Schein. Die Verausgabung individueller Arbeitskraft durch die Einzelnen im Produktionsprozess konstituiert zwar den gesellschaftlichen Zusammenhang, der ohne die Summe der einzelnen Privatarbeiten gar nicht bestehen könnte, der zugleich aber über diese Einzeltätigkeiten hinauswächst und zu einer objektivierten Totalität sich verselbständigt. Das Individuum und seine Subjektform einerseits und die „objektiven Daseinsformen“ andererseits stehen folglich im Verhältnis einer prozessierenden Vermittlung, nicht in dem der Identität.
Obwohl Marx die Spannung zwischen Subjekt und gesellschaftlicher Objektivität nicht im Strukturfunktionalismus tilgte, der als Signum des späteren Marxismus gelten kann, ist hiermit das Problem einer Vermittlung aufgeworfen, das nicht allein im Rahmen der marxschen Kategorien gelöst werden kann. Die Frage danach, wie sich die geronnene Totalität durch die Einzelnen hindurch reproduziert, erzwingt den Blick auf das Triebleben der Subjekte, das durch die äußere Objektivität zwar geprägt wird, aber umgekehrt durch diese Vermittlung hindurch die Verhältnisse wiederum wesentlich gestaltet und verfestigt. Auch der subjektiven Seite der Gesellschaft eignet also eine gewisse Verselbständigung, da die Eigenständigkeit des Triebes sich in ihr Geltung verschafft. Subjektivität ist eine „gesellschaftlich vermittelte und selbst wiederum Gesellschaft aktiv vermittelnde Realität“[4], präformiert und verselbständigt zugleich. Die ideologische Fixierung geht dahin, stets ein Moment dieser herrschenden Vermittlung zu isolieren, entweder das Individuum als autonomes Wesen zu hypostasieren und derart die gesellschaftliche Präponderanz zu negieren, oder andersherum von bruchlosen Strukturen auszugehen, in denen „jede Form von Individualität unvermittelt auf gesellschaftliche Einflüsse“[5] reduziert ist. „Psychodynamik“ hingegen wäre gegen ein solch identifizierendes Bewusstsein mit den Worten Adornos zu bestimmen als „die Reproduktion gesellschaftlicher Konflikte im Individuum, aber nicht derart, daß es die aktuellen gesellschaftlichen Spannungen bloß abbildete. Sondern es entwickelt auch, indem es als ein von der Gesellschaft Abgedichtetes, Abgespaltenes existiert, nochmals die Pathogenese einer gesellschaftlichen Totalität aus sich heraus, über der selber der Fluch der Vereinzelung waltet.“[6]
Was Adorno als grundlegendes Verhältnis von Gesellschaft und psychischer Disposition der Subjekte reflektiert, gilt auch für die historische Binnenentwicklung des Kapitalismus. Verändern sich die objektiven Bedingungen gesellschaftlicher Gesamtreproduktion, so wirkt sich dies auf die Psychogenese des Subjekts zwar aus, aber eben nicht im Sinne eines Basis-Überbau-Schematismus, sondern als spezifische Vermittlung der aktuellen historisch-gesellschaftlichen Situation durch das Triebleben der Subjekte. Es existiert nicht der eine bürgerliche Sozialcharakter, der sich durch die Jahrhunderte einer kapitalistischen Entwicklung von ihren Anfängen bis ins 21. Jahrhundert gleich geblieben wäre.
Eine solche binnen-historische Zäsur, welche die psychische Subjektdisposition nicht unberührt ließ, besteht in der ökonomischen Krisenentwicklung seit den 1970er Jahren. Die dritte industrielle Revolution der Mikroelektronik verursachte eine grundlegende Umstrukturierung und Deindustrialisierung des gesamten globalen Arbeitsprozesses: „Vor allem die ,alten‘ Industrien – Stahlwerke, Kohlezechen, Schiffswerften und Textilfabriken –, die in den Boom-Jahren des Wirtschaftswunders das Rückgrat der Volkswirtschaften gebildet hatten, verschwanden im Zuge dieses Transformationsprozesses und mit ihnen Millionen von Arbeitsplätzen; zugleich und mit der Schrumpfung industrieller Beschäftigung aufs Engste verknüpft kam es zu einer signifikanten Steigerung der Arbeitsproduktivität in diesem Sektor. Technologisch waren diese Jahrzehnte geprägt durch die Ausbreitung der elektronischen, das heißt computergestützten Datenverarbeitung in allen Bereichen der Industrieunternehmen, von der Produktion bis hin zum Kundenkontakt, was weitreichende Veränderungen nach sich zog.“[7] Diese Produktivitätssteigerung führte nicht nur zu einer Verschiebung der Produktionsschwerpunkte auf andere Sektoren, wie die positivistische Rede von einer neuen Dienstleistungs-, Informations-, oder Wissensökonomie unterstellt, sondern zu einer massenhaften Freisetzung von industrieller Arbeitskraft und damit in die fundamentale Krise des kapitalistischen Verwertungszwangs selbst. Die mikroelektronische Produktivkraftentwicklung sorgt zwar für eine ungeheure Steigerung des stofflichen Outputs, im Gegensatz zur ersten und zweiten industriellen Revolution nicht aber für die massenhafte Integration und Verausgabung von Arbeitskraft. Genau diese Arbeitskraft ist es jedoch, die in ihrer Verausgabung im Produktionsprozess die (Mehr-)Wertsubstanz stiftet und damit die irre Akkumulationslogik von G-W-G‘ am Laufen hält. Die dritte industrielle Revolution markiert den historischen Punkt, an dem der kapital-logische Zwang zur Produktivitätssteigerung mehr Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess ausgliedert, als sie durch die neuen Techniken vereinnahmen kann – und damit den Punkt, an dem der Widerspruch zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkraftentwicklung sich als „innere Schranke“ der Verwertung manifestiert.[8]
Diese krisenhafte Transformation der ökonomischen Objektivität zieht eine grundlegende Veränderung der gesamten Sozial- und Sozialisationsstruktur nach sich. War bis in die 1970er die Ordnung der bürgerlichen Kleinfamilie vorherrschend gewesen, die auf der Berufsarbeit des Mannes und der Reproduktionstätigkeit der Frau fußte, veränderten sich nun die Familienverhältnisse dahingehend, dass die Position des arbeitenden Mannes und dessen kontinuierliche Berufsbiographie prekär wurden, während sich Frauen nunmehr verstärkt – meist in Teilzeit und zusätzlich zur häuslichen Reproduktionstätigkeit – als Arbeitskräfte zu verdingen hatten. Aus dem Obsoletwerden der Arbeitskraft resultierte keine emanzipatorische Perspektive einer selbstbestimmten Gesellschaft ohne Arbeitszwang, sondern eine Situation, in der Form und Diktat der Arbeit fortbestanden, während ihr Inhalt überflüssig wurde. Reziprok dazu hat sich auch das patriarchale Geschlechterverhältnis mit der Erosion der tradierten geschlechtlichen Arbeitsteilung nicht zum Besseren verändert, sondern ist stattdessen in einen Zustand eingetreten, den Roswitha Scholz als „Verwilderung des Patriarchats“ bezeichnet.[9] Die repressive Struktur der Kleinfamilie ist einer Ordnung gewichen, in der die Institution der Ehe zwar relativiert wurde und Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen, zugleich aber noch immer den größten Anteil der abgespaltenen Reproduktionstätigkeiten übernehmen, zunehmend der sogenannten „Doppelbelastung“ von Beruf und Reproduktion ausgesetzt sind und die Absenz männlicher Familienernährer zu kompensieren haben. Das Phänomen der alleinerziehenden Mutter kann hier wohl als Paradigma für einen nur erodierten, nicht überwundenen patriarchalen Familienkontext gelten.
Die Umstände der Sozialisation, unter denen sich die Gesellschaft im Subjekt vermittelt, unterscheiden sich folglich wesentlich von denen, die vor hundert Jahren noch den Rahmen der Freudschen Analyse bestimmten. Seinerzeit entfaltete Freud die Psychogenese des Kindes zum bürgerlichen Subjekt im Kontext der Trias von Vater, Mutter und Kind, welche er selbst zur anthropologischen Grundkonstante zu verklären neigte, die in Wahrheit aber die „Keimform“ der kapitalistischen Gesellschaft zu jener Zeit darstellte, als diese auf ihren eigenen Grundlagen prozessieren konnte.[10] Im Zentrum der Vermittlung von Außenwelt und dem Triebleben des Kindes steht bei Freud die ödipale Konstellation. Das Kleinkind ist zu Beginn nicht in der Lage, zwischen sich und seiner Umwelt adäquat zu differenzieren, im Zustand eines „primären Narzissmus“ nimmt es sich und die sorgende Mutter noch als diffuse Einheit war. „Uranfänglich in der primitiven oralen Phase des Individuums sind Objektbesetzung und Identifizierung wohl noch nicht voneinander zu unterscheiden.“[11] Diese symbiotische Wahrnehmung wird brüchig, sobald die Triebbefriedigung des Kleinkindes durch die Mutter immer seltener unmittelbar geleistet wird und das Kind somit zwischen Präsenz und Absenz der Mutter schmerzhaft zu unterscheiden lernt, den Anspruch auf die narzisstische Einheit jedoch noch nicht aufzugeben bereit ist. Erst späterhin, wenn das Kind die Nicht-Verfügbarkeit der Mutter als Folge ihrer Beziehung zum Vater erkennt, tritt es in den von Freud sogenannten Ödipuskomplex ein.
Der Vater wird nun als Konkurrent im Werben um die Mutter angesehen und zugleich gewahrt das Kind die eigene Insuffizienz und Ohnmacht in dieser Konstellation. Der „Wunsch, den Vater zu beseitigen, um ihn bei der Mutter zu ersetzen“, wie Freud sich ausdrückt, scheint nicht nur unrealistisch, sondern erzeugt im Kind selbst die angstbehaftete Vorstellung, umgekehrt vom Vater beseitigt zu werden. Den Ausgang aus dem Ödipuskomplex findet das Kind schließlich qua Identifikation mit dem Vater, in der die libidinöse Mutterfixierung aufgegeben, das Inzesttabu aufgerichtet und die prospektive Bindung an andere Objekte möglich wird. Die Vateridentifikation impliziert zugleich das Streben, einmal so zu werden wie der Vater, dem man unterlag, und doch auch die Nicht-Identität mit eben jenem Vater insofern zu internalisieren, als sein Anspruch auf die Mutter anerkannt wird. Das Über-Ich, das bei Freud als internalisierte Vaterinstanz figuriert, besitzt folglich eine zweiseitige Setzung: „Seine Beziehung zum Ich erschöpft sich nicht in der Mahnung ,So (wie der Vater) sollst du sein‘, sie umfaßt auch das Gebot: ,So (wie der Vater) darfst du nicht sein, das heißt nicht alles tun, was er tut; manches bleibt ihm vorbehalten‘.“[12]
Der Ödipuskomplex als Urszene des Triebaufschubs mit dem Über-Ich als seinem Resultat konstituiert in psychogenetischer Sicht das bürgerliche Subjekt. Das vormalig unreglementierte Lustprinzip – Freud spricht von einem „purifizierten Lust-Ich“ – erfährt nun eine Einschränkung durch das Realitätsprinzip, das den adäquaten, das heißt den gegen das Ich repressiven Bezug zur Außenwelt als Subordination der Lustbefriedigung zugunsten der Verwertung gewährleistet. „Die Kultur“, in Freuds ahistorischen Worten, „ist unter dem Antrieb der Lebensnot auf Kosten der Triebbefriedigung geschaffen worden, und sie wird zum großen Teil immer wieder von neuem erschaffen, indem der Einzelne, der neu in die menschliche Gemeinschaft eintritt, die Opfer an Triebbefriedigung zu Gunsten des Ganzen wiederholt.“[13] Durch die Unterwerfung der inneren Triebnatur wird das Subjekt in die Lage versetzt, als vermeintlich autonomes, selbstbeherrschtes und zweckrationales sich der äußeren Natur im Arbeitsprozess aufzuherrschen und sich in der Konkurrenz zu behaupten. Mehr noch avanciert die Arbeit gar zur idealisierten Tätigkeit, um den internalisierten Ansprüchen des Über-Ichs zu genügen, sie bildet den Aktionsmodus eines verselbständigten inneren Zwangs zur Triebbeherrschung und den identitären Bezugspunkt des Subjekts, den positiven Inhalt seines Daseins.
Diese Konstitution des bürgerlichen Subjekts ist heute offensichtlich antiquiert. Im Übergang zu einer „vaterlosen Gesellschaft“[14], in der die Konstellation der familiären Keimform längst erodiert ist, gestaltet sich die psychische Entwicklung des Individuums anders aus, oder genauer: sie wird auf einem präödipalen Niveau sistiert. Der Vater als Autoritätsfigur, der einst die Ablösung von der Mutter erzwang, ist häufig in heutigen Formen der Sozialisation leiblich schon gar nicht mehr präsent – viel wichtiger ist aber, dass er seine symbolische Funktion auch da eingebüßt hat, wo pro forma die Triade aus Vater, Mutter und Kind noch existiert. Mit der integrierenden Bedeutung der Arbeit auf gesellschaftlicher Ebene schwindet im Zeichen der Krise auch die des väterlichen Subjekts als familiärer Repräsentanz des Triebverzichts. Die libidinöse Mutterfixierung des Kindes wird daher nicht mehr – oder zumindest nicht mehr im selben Maße wie zuvor – von der ödipalen Konfliktsituation irritiert und zugunsten anderer Objektbesetzungen und der Errichtung des Über-Ichs aufgehoben. Die Überwindung des narzisstisch-symbiotischen Zustands hat ihren Ausgangspunkt verloren.
Jedoch macht sich die versagende Außenwelt und die Eigenständigkeit der Mutter praktisch gegen das symbiotische Bedürfnis des Kindes geltend, auch wenn die ödipale Situation aufgrund der Absenz des symbolischen Vaters nicht mehr eintritt. Die Aufrechterhaltung einer ursprünglichen Ungeschiedenheit ist schlicht unmöglich, aber der psychische Verarbeitungsmodus dieser Nötigung zur Realitätsbewältigung muss sich nunmehr anders ausgestalten. Freud, der seinerzeit primär die ödipale Entwicklung avisierte und die Problematik einer präödipalen Psychogenese auf einem verallgemeinerten, gesamtgesellschaftlichen Niveau freilich nicht vorwegnehmen konnte, gibt in seinem Text „Zur Einführung des Narzißmus“ doch zumindest einige Hinweise darauf, welche Form eine solche Verarbeitung annehmen kann. Hierfür führt er den Begriff des „Ichideals“ ein, den er teilweise noch mit dem des Über-Ichs identifiziert, an anderen Stellen jedoch auf eine präödipale Realitätsbewältigung bezieht, welche die Auflösung der ursprünglichen Symbiose antizipiert, aber auf ihre vermittelte Wiederherstellung zielt: „Diesem Idealich gilt nun die Selbstliebe, welche in der Kindheit das wirkliche Ich genoß. Der Narzißmus erscheint auf dieses neue ideale Ich verschoben, welches sich wie das infantile im Besitz aller wertvollen Vollkommenheiten befindet. Der Mensch hat sich hier, wie jedesmal auf dem Gebiete der Libido, unfähig erwiesen, auf die einmal genossene Befriedigung zu verzichten. Er will die narzißtische Vollkommenheit seiner Kindheit nicht entbehren, und wenn er diese nicht festhalten konnte, durch die Mahnungen während seiner Entwicklungszeit gestört und in seinem Urteil geweckt, sucht er sie in der neuen Form des Ichideals wiederzugewinnen. Was er als sein Ideal vor sich hin projiziert, ist der Ersatz für den verlorenen Narzißmus seiner Kindheit, in der er sein eigenes Ideal war.“[15] Die Verschiebung der Libido aufs Ichideal eröffnet demnach die Möglichkeit, an der verlorenen Einheit in verschobener Form noch festzuhalten, einen präödipal-selbstbezüglichen statt über Identifikation und Objektbindung vermittelten Außenbezug herzustellen. Nicht mehr die auf Triebaufschub gerichteten Imperative des Über-Ichs geben den inneren Maßstab des Handelns ab, sondern die eines Ichideals, das auf „Selbstverwirklichung“ zielt, darauf also, das reale Ich mit dem Ideal zur Deckung zu bringen und derart die narzisstische Kränkung zu heilen, die durch den Einbruch der Außenwelt in die psychische Realität des Kindes verursacht wurde.
Es ist unschwer zu erkennen, dass sich Wünsche und Handeln des postmodernen Subjekts nicht mehr an einem rigiden Gewissen orientieren, das zu Selbstaufgabe und Konformität nötigt, sondern an einem meist nicht weniger rigiden Zwang, „mit sich selbst im Einklang zu sein“. An die Stelle des repressiven Triebaufschubs, dessen illusionäres Telos einer letztendlichen Erfüllung des Begehrens doch stets uneingelöst bleiben musste, ist nicht die Perspektive geglückter Triebbefreiung, sondern allein die einer „repressiven Entsublimierung“[16] getreten. Unter der psychischen Vorherrschaft des Ichideals hat sich seit den 1970er Jahren ein neuer Wertekodex etabliert, der vorderhand als befreiend erscheint oder zumindest als solcher angepriesen wird, aber die Einzelnen, die ihn verinnerlichen, mehr als zuvor auf das Bestehende abonniert. Das historisch postödipale und psychogenetisch präödipale Subjekt folgt dem Imperativ des „Personal Growth“ in allen Lebensbereichen, will kreativ, innovativ und individuell sein, das persönliche Potential entfalten und dabei stets authentisch sein. Die Optimierung des Berufslebens, der eigenen Beziehung, des Wohnens und der Ernährungsgewohnheiten bis hin zu der des eigenen Körpers durch Fitness und die Messung aller möglichen Körperfunktionen ist zum neuen Selbstzwang des Subjekts avanciert. Weit davon entfernt, in dieser Nabelschau „selbstgenügsam“ bei sich zu bleiben, zielt die „Arbeit am eigenen Selbst“ letztlich auf die Anerkennung durch Dritte. „Das spätmoderne Subjekt ist ein dramaturgisches, und seine Subjektivierung erfolgt primär dadurch, dass es sich in gelungener Weise vor anderen darstellt. Das Subjekt ist in der Spätmoderne mehr und mehr identisch mit seiner Performance vor einem Publikum“.[17] Die Passung von Ich und Ideal muss durch die Anderen permanent ratifiziert werden. Was das Ich einst von der Mutter begehrte, die Spiegelung seiner vermeintlichen Vollkommenheit, soll durch das zum „Publikum“ degradierte Umfeld nachgeholt werden.
Weil die Triebmotivation, die hinter diesem Bedürfnis nach Passung steht, das Streben nach einer verlorenen, noch nicht durch den Einbruch der Realität irritierten Ganzheit darstellt, ist ihre Erfüllung immer schon verstellt. Da die Realität die Spiegelung der narzisstischen Sehnsucht verunmöglicht, kann sich das Ich mit seinem Ideal, das es „vor sich hin projiziert“, nicht erfolgreich zur Deckung bringen, scheitert wieder und wieder an der Selbständigkeit einer Außenwelt, welche die erhoffte Anerkennung versagt. Die daraus resultierende Kränkung artikuliert sich als eine heute verallgemeinerte Pathologie: „Die Karriere der Depression“, so Alain Ehrenberg, „beginnt in dem Augenblick, in dem das disziplinarische Modell der Verhaltenssteuerung, das autoritär und verbietend den sozialen Klassen und den beiden Geschlechtern ihre Rollen zuwies, zugunsten einer Norm aufgegeben wird, die jeden zu persönlicher Initiative auffordert: ihn dazu verpflichtet, er selbst zu werden.“[18] Es verwundert daher kaum, dass die Depression als zeittypische Erkrankung in den 1970er Jahren aufkam und sich seither als hegemoniales Krankheitsbild etabliert hat. Dieser Wandel der Pathologie verweist auf die Transformation der Psychogenese des Subjekts im Allgemeinen. Der ödipalen Entwicklung entspricht hierbei die Neurose, die Freud als Wiederkehr verdrängter Triebfixierungen in der entstellten Form des Symptoms charakterisierte. Schematisch gesprochen gerät dabei ein nicht-konformer Triebwunsch mit dem Über-Ich als internalisiertem Gesetz des Vaters in Konflikt und wird vorerst verdrängt. Ist die Fixierung indes so stark, dass sie die Verdrängungsschranke zu überwinden vermag, geschieht dies nicht als ihr bewusstes Gewahrwerden oder als ihr unverstelltes Ausleben, sondern in Form des Symptoms, das nur mittelbar symbolisch auf seine libidinöse Bedeutung verweist. Der Konflikt zwischen Trieb und dem Verbot des Über-Ichs bilden in Freuds Neurosenlehre den zentralen Kernpunkt der Erkrankung, weshalb Ehrenberg vom Neurotiker als einem „Konfliktmenschen“ spricht und ihm den narzisstisch-depressiven Charakter kontrastiert, der nicht an einem Konflikt laboriere, sondern an einem aus dem narzisstischen Ganzheitswunsch resultierenden Defizit: „Die Depression zeigt uns die aktuelle Erfahrung der Person, denn sie ist die Krankheit einer Gesellschaft, deren Verhaltensnorm nicht mehr auf Schuld und Disziplin gründet, sondern auf Verantwortung und Initiative. (…) Die Depression ist eher eine Krankheit der Unzulänglichkeit als ein schuldhaftes Fehlverhalten, sie gehört mehr in das Reich der Dysfunktion als in das des Gesetzes.“[19] Der Depressive leidet nicht unter der Zensur eines rigiden Über-Ichs, sondern an der Nicht-Realisierbarkeit seines Ideals, worauf die Symptomatik von Minderwertigkeitsgefühlen, nachlassender Selbstachtung, Antriebslosigkeit und dem Gefühl chronischer Leere verweist.[20]
- Die achtsame Symbiose
Die hier angerissene Problematik eines Scheiterns der präödipalen Triebstruktur an sich selbst erzeugt allerlei Bewältigungsversuche, um die verlorene Ganzheit doch noch zu restituieren. Von permanenter Enttäuschung im Konflikt mit der Außenwelt getrieben, bleibt dem Krisensubjekt nur noch die Flucht aus derselben in eine imaginierte Symbiose, der allerletzte Schritt in die Verleugnung der Realität. Weil in die permanente „Arbeit am eigenen Selbst“ das Scheitern schon eingepreist ist und die „Wiederherstellung der Vollkommenheit“ über das Surrogat des Ichideals misslingt, weil also die Außenwelt weiterhin als versagende auftritt, hat sich schon längst ein Repertoire an Methoden gebildet, die narzisstische Urharmonie auf anderem Wege zu restituieren. Die bekannteste unter ihnen ist wohl die Praxis der Achtsamkeit, die sich in den 70ern im Kontext von „New Age“ als Adaption buddhistischer Lehren entwickelte und sich seither aus der esoterischen Nische gelöst und als hegemonialer Modus psychischer Krisenbearbeitung fest etabliert hat. Die Flut aus Achtsamkeitsratgebern, -seminaren und -coachings offeriert dem postmodernen Subjekt einen Weg aus der psychischen Dauerkrise zurück in die „Ganzheit“.
Bereits die New-Age-Ideologen wussten die Rückkehr zur unversehrten Einheit von Ich und Außenwelt als Ideal ihres regressiven Heilsversprechens anzupreisen. Die Unterscheidung von Ich und Außenwelt, die den Gurus und ihren Jüngern allein als Ausdruck der Entfremdung gilt und nicht zugleich auch als notwendige Bedingung von Individuation und Erkenntnisfähigkeit, wird in die Symbiose zurückgenommen: „Zum entscheidenden Kennzeichen des viel gepriesenen ,New-Age-Bewußtseins‘ wurde ein ,systemisches‘ oder auch ,synthetisches Prinzip‘ erklärt: ,Alles ist Eins‘. Zur Prämisse und Konklusion esoterischer Diskurse und Praktiken wurde in diesem Zusammenhang, dass ,der Mensch ein Ganzes‘ sei.“[21] Weil das Individuum aber kein Ganzes ist, sondern sich qua Objektbeziehungen mit einem Nicht-Ich vermittelt und erst als Resultat dieses Schritts aus der Unmittelbarkeit heraus zu sich kommt – eben als eines, das nie mit sich identisch ist –, treibt der Einheitswunsch der Krisensubjekte zur Verleugnung dieser Verwiesenheit des Ichs auf die Außenwelt hin.
Da es keine Heilslehre ohne Erweckungserlebnis gibt, weiß im Grunde jeder Autor einschlägiger Literatur von einem solchen zu berichten – so auch der selbstbezeichnende „spirituelle Lehrer“ Eckhart Tolle, der stolz darauf sein darf, mit seinem in zig Sprachen übersetzten und millionenfach aufgelegten Buch „Jetzt! Die Kraft der Gegenwart“ seinen Teil zur neuen Eigentlichkeit beigetragen zu haben: „Bis zu meinem 30. Lebensjahr lebte ich in einem Zustand fast ununterbrochener Angstgefühle, unterbrochen von Phasen lebensmüder Depression. Jetzt fühlt es sich so an, als spräche ich über ein vergangenes Leben oder über das Leben eines anderen.“[22] Denn eines Nachts wurde Eckhart „in eine Art Energiewirbel hineingezogen“ und fand sich ganz verändert wieder. „Plötzlich war keine Angst mehr da und ich ließ mich in diese Leere hineinfallen. […] Was zurückblieb, war meine wahre Natur – das stets gegenwärtige Ich bin: reines Bewusstsein, bevor es sich mit Form identifiziert.“[23] Im reinigenden Erwachen aus der Uneigentlichkeit glaubt sich Eckhart in die Wahrheit des Ganzen, in einen Zustand der „Heiligkeit“ gerettet zu haben. Die gesamte Achtsamkeitsliteratur baut auf diesen Eintritt in eine neue „Seinsweise“ und ist nur deshalb so erfolgreich, weil sich ihre Rezipienten genau das auch für sich selbst erhoffen.
Die neue Lebensform der Achtsamkeit erreicht nur, wer sich in der Akzeptanz des Gegebenen übt. Das große Geheimnis einer harmonischen Beziehung zur Außenwelt besteht Tolle und Konsorten zufolge schlicht darin, sich einfach nicht mehr an ihr zu reiben. „Was immer der gegenwärtige Moment enthüllt, nimm es an, als hättest du es selber so gewählt.“[24] Ganz und gar im „Jetzt“ zu leben bedeute, sich von der „Zeit“ schlechthin zu lösen, sich von der Reflexion auf Vergangenheit wie Zukunft zu emanzipieren. Denn allein in der Zeit gäbe es „Krankheit, Schmerz und Kummer“, nicht aber im Jetzt, das als entleerter Punkt keine eigene Qualität mehr besitzt – und gerade deshalb angestrebt wird: „Im Jetzt, in der Abwesenheit von Zeit, lösen sich alle Probleme auf. Leiden braucht Zeit, es kann nicht im Jetzt überleben.“[25] Die Rückkehr in die Symbiose gelingt nur um den Preis einer falschen Versöhnung: Das Leiden verstummen zu machen, ist Bedingung des achtsamen Lebens. Jon Kabat-Zinn, ein ähnlich prominenter Erweckungspropagandist, sieht das wie sein Kollege: „Meiner Ansicht nach lässt sich der Begriff heilsam am besten damit umschreiben, mit den Dingen Frieden zu schließen, so wie sie sind.“[26]
Kabat-Zinn weiß um die Konstitution seiner Leserschaft und wendet sich mit seiner Emphase der Akzeptanz daher explizit gegen den Selbstoptimierungszwang des postmodernen Subjekts. Die Orientierung an einem Ichideal und an der Ratifizierung der eigenen Selbstherrlichkeit durch andere basiere ihm zufolge noch immer auf einer falschen Trennung von Ich und Außenwelt. „Wir spalten uns auf, um Trugbildern nachzujagen, manchmal für Jahre oder gar Jahrzehnte, und in diesem Prozess verlieren wir den Kontakt zu unserer wahren Natur, zu unserer Souveränität, und verraten mitunter die Schönheit dessen, was wir tatsächlich sind, sowie unsere ungeteilte und unteilbare Ganzheit.“[27] Balsam für die Seelen ausgelaugter Mittelschichtssubjekte, denen nun endlich der wahre Weg zurück in die intrauterine Einheit gewiesen wird. Das Abrackern am unerreichbaren Ideal brauche es gar nicht, das Gewahren des Gegenwärtigen reiche schon hin, um mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen. „Ganzheit und Schönheit“, so Kabat-Zinn in der für ihn typischen, nach der Seele des Lesers grabschenden pronominalen Anredeform, „sind bereits da, in Ihnen, wie auch Ihre intrinsische Fähigkeit zu Wachheit, selbst unter den aufreibendsten Umständen.“[28] Doch gegen die idealbasierte Selbstverbesserung, die Kabat-Zinn als „narzisstische Egozentrik“ bezeichnet, setzt auch der Guru auf den Modus permanenter Optimierung, um die Rückkehr ins Sein zu bewerkstelligen. „Indem wir Tag für Tag daran arbeiten, verbinden wir uns wieder mit der eigentlichen Quelle des Menschseins, mit dem elementaren Zentrum des Seins.“[29] Und so empfiehlt er seinen Leserinnen und Lesern, möglichst in jedem Moment das „Hier und Jetzt“ bewusst zu halten und noch beim Duschen der Weltverbundenheit nachzuspüren. Die Propheten der Achtsamkeit geben nicht trotz, sondern wegen ihrer Emphase „radikaler Akzeptanz“ der Arbeit am eigenen Selbst lediglich ein neues Ziel, das noch ungleich schwerer zu erreichen scheint als das des Ichideals. Mit dem unmöglichen Anspruch, jederzeit die eigene Existenz im Sein zu erden, prolongieren sie nur den ewigen Kreislauf aus Optimierung und Depression, den aufzulösen sie versprechen.
Ziel der Achtsamkeitspraktiken ist es, eine neue Realität zu begründen, in der das vormals Getrennte Eins wird. „Wenn wir im Gewahrsein verweilen, dann ruhen wir in dem, was wir orthogonale Realität nennen könnten, in einer Realität, die grundlegender ist als die konventionelle Realität“ – dies schnöde Ding – „und ganz genauso wirklich.“[30] In dieser grundlegenderen Realität – Tolle spricht ganz ähnlich von einer „primären Wirklichkeit“ – sind Ich und Außenwelt zur ersehnten Ganzheit verschmolzen. Mit neuer Realität ist nichts anderes gemeint als die psychische Realität des präödipalen Subjekts, die in vollendeter Verleugnung die äußere Realität zu substituieren strebt. In dieser Symbiose muss nicht nur die Eigenständigkeit der Außenwelt, sondern auch die bedingte des Ichs verleugnet werden. Wo diese trotzdem noch aufscheint, wird sie daher umso aggressiver verfolgt. Die von ihrer psychischen Realität Erleuchteten lehnen – ein seltener Fall realitätsgerechter Einschätzung – den Begriff des Ichs kategorisch ab, weil er im Gegensatz zum Begriff des „Selbst“ auf Nicht-Identität verweist. „Wenn ich nicht mit mir selbst leben kann, dann muss es zwei von mir geben: das Ich und das Selbst, mit dem Ich nicht mehr leben kann. Vielleicht, dachte ich, ist nur eines von beiden wirklich.“[31] Der Begriff des „Selbst“ bezeichnet einen unversehrten, ganzen Zustand des Individuums, das sich selbst genügt und dessen Existenz als Entfaltung eines inneren, durch Entfremdung verschütteten Potentials konzipiert wird. Das Ich hingegen impliziert nach Tolle eine Insuffizienz, weil es auf Objekte angewiesen bleibt, die nicht Teil des integrierten Ganzen sind. Und in der Tat konstituiert sich das Ich nicht als bloße Verwirklichung dessen, was stets schon in ihm angelegt ist, sondern indem es Bewusstsein, Erfahrung und letztlich Individuation durch eine libidinöse Entäußerung an die Objekte der Außenwelt generiert. Dass das Ich stets auch ein Nicht-Ich ist, sich durch die Anbindung an dieses erst bildet, diese Dialektik der Individuation muss der Selbstverwirklichungsguru verleugnen, um die unerschöpfliche Herrlichkeit eines autistischen Selbst zu unterstellen. Assoziiert wird das perhorreszierte Ich zutreffend mit Verstand, Denken und Erkenntnis überhaupt, verweist der Gedanke doch darauf, dass das Ich und sein Erkenntnisobjekt nicht eins sind und die unterstellte Versöhnung nicht existiert. Tatsächlich setzt das Denken ein Ich voraus, das sich aus der narzisstischen Symbiose gelöst und sich derart in die Lage versetzt hat, eine sublimiert libidinöse Bindung an ein Objekt aufzurichten, ohne sich dieses einverleiben zu wollen. Gerade die Kritik des Erkenntnisobjekts lebt von der Spannung, ihren Gegenstand zwar abschaffen zu wollen, aber zugleich seine Existenz vorauszusetzen und die nötige Frustrationstoleranz aufzubringen, eben diese Spannung auszuhalten, anstatt Harmonie um den Preis der Entindividuation zu erkaufen. Genau das aber ist das erklärte anti-emanzipatorische Ziel der Erweckten: „Wenn dein Bewußtsein nach außen gerichtet ist, entstehen der Verstand und die Welt. Ist es nach innen gerichtet, erkennt es seine eigene Quelle und kehrt nach Hause zurück ins Unmanifeste [!].“[32] Das Denken spaltet, aber Tolles „gute Nachricht ist, dass du dich von deinem Verstand befreien kannst. Das ist die einzig wahre Befreiung.“[33]
Mit diesem Eintritt in die „Selbst“-verschuldete Unmündigkeit, der Entsorgung jeden kritischen Gedankens im Nirwana des Unmanifesten, geht auch das Gegenstück des Ichs, sein Erkenntnisobjekt, verloren. Inhalte oder gar objektive Zustände, die der Kritik zu unterziehen wären, existieren im Brei der Symbiose nicht mehr, werden zum Schein eines Bewusstseins erklärt, das fälschlicherweise auf dem Objekt insistiere und das mit allen Mitteln bekämpft werden muss. So meint Kabat-Zinn beispielsweise die „Diskussion“ der Seinsvergessenheit zu überführen, indem er sehr schlau darauf hinweist, dass sich der Begriff vom lateinischen discutere herleitet und „zerschlagen, zerteilen“ bedeutet, was schon auf die gewaltsame Praxis derer verweise, die ernsthaft noch um eine Sache ringen. Denn er weiß: „So etwas wie ein Problem gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Das Konzept eines ,Problems‘ ist genau das: ein Konzept, eine Überlagerung, die Interpretation einer Situation. Das Denken macht aus einer Situation ein Problem.“[34] Obwohl freilich die Aggressiven immer die denkenden Trennungsfanatiker seien, geraten die sonst so Achtsamen und ostentativ Beruhigten geradezu in Rage, wenn sie das Bewusstsein und mit ihm die Erinnerung an den unversöhnten Zustand als Krankheit, Lüge und als wuchernden Tumor denunzieren.[35]
Was übrig bleibt, wenn Ich und Außenwelt verleugnet werden, ist eine von jeder Triebspannung befreite Leere, ein Zustand, in dem die Dialektik von Lust und Unlust vorderhand keine Geltung mehr besitzt, weil das Subjekt auf ein libidinöses Nullniveau zu regredieren wünscht. Freud hatte auf diese Tendenz der aus Fernost importierten Selbstfindungspraktiken hingewiesen, lange bevor sie sich zum Ausdruck präödipaler Krisenbewältigung verallgemeinert hatten. Er beschreibt sie als dem Narzissmus nahestehende Leidabwehr, die sich gegen das Triebleben selbst wendet: „In extremer Weise geschieht dies, indem man die Triebe ertötet, wie die orientalische Lebensweisheit lehrt und die Yogapraxis ausführt. Gelingt es, so hat man damit freilich auch alle andere Tätigkeit aufgegeben (das Leben geopfert), auf anderem Wege wieder nur das Glück der Ruhe erworben.“[36] Das „ozeanische Gefühl“ dieses Triebnihilismus stellt Freud zutreffend in die Nähe des Todes, ist doch letztlich nur in ihm die absolute Spannungslosigkeit zu erreichen. Dass auch die Achtsamkeitsgurus diese Konsequenz ziehen, kann kaum noch überraschen. Sowohl Eckhart Tolle als auch Jon Kabat-Zinn preisen das Sterben als ultimative Erfahrung des entleerten Lebens. Man müsse „das Sterben vor dem Sterben üben […]; lassen wir die ganze Welt einfach sein, wie sie ist, so als seien wir gestorben und die Welt ginge ohne uns weiter. Alles Anhaften ist aufgegeben, wir sind bereits tot, sodass es nichts mehr gibt, an dem wir festhalten.“[37] Die Erweckten haben von Heidegger nicht nur den Jargon entliehen, sondern seine Existenzphilosophie unter dem Vorzeichen der psychischen Deformation des postmodernen Subjekts aktualisiert: Wie sich Heidegger gegen Begriff und Sache wandte, gegen beide das Dritte des Seins raunend in Stellung brachte, ereifern sich seine achtsamen Wiedergänger gegen das Ich und seine Erkenntnisobjekte im Namen eines Seins, welches nichts anderes meint als das Nirwana einer ursprünglichen Symbiose, in der alles eins und daher auch Leben und Tod ununterscheidbar sind. Die einverleibende psychische Realität des präödipalen Subjekts duldet in diesem „Sein zum Tode“ keine Nicht-Identität, keine an Trieb, Lust und Unlust gemahnende, trennende Individuation und feiert daher ganz unverfroren das Opfer des Lebens.
- Awareness und Identitätspolitik
Mit der achtsamen Verleugnung der äußeren Realität kann das präödipale Subjekt den Widerspruch zur Wirklichkeit allerdings nicht lösen, der schließlich nur in dessen psychischer Realität überwunden scheint. Das gereinigte „Selbst“ befindet sich daher im Modus der Abspaltung all dessen, was die Fassade der symbiotischen Einheit bedroht. Der unerhellten, narzisstischen Triebfixierung gemäß wird jede unabhängige Äußerung einer eigenständigen Realität als Überwältigung empfunden, ganz so, wie einst im Bruch des ursprünglichen Narzissmus die Unverfügbarkeit der Mutter dem bedürftigen Kleinkind als Katastrophe erschien. Der konfrontativen Auseinandersetzung mit der Außenwelt muss permanent vorgebaut werden, damit die autistischen Blasen, wo sie in Kontakt miteinander treten, nicht dem Schock des Traumas ausgesetzt werden, das scheinbar an jeder Straßenecke lauert. „Ökonomisch ausgedrückt ist das Trauma“, so definieren Laplanche und Pontalis in Anlehnung an Freud den Begriff, „gekennzeichnet durch ein Anfluten von Reizen, die im Vergleich mit der Toleranz des Subjekts und seiner Fähigkeit, diese Reize psychisch zu bemeistern und zu bearbeiten, exzessiv sind.“[38] Diese Bestimmung verweist bereits auf die Relativität dessen, was als Trauma empfunden werden kann, abhängig von der psychischen Konstitution des Subjekts. Der präödipale Charakter, dessen Reizschranken nur in geringem Maße ausgebildet sind, weil seine Psychogenese vor dem ödipalen Stadium abgebrochen wurde, in dem das Individuum die Versagung eigener Triebwünsche zugunsten eines Arrangements mit der Realität erst erlernt und verinnerlicht, muss daher für traumatische Empfindungen besonders anfällig sein. Die ubiquitäre Rede vom Trauma verweist auf eben diese Konstitution und entspricht, wenn auch nicht der äußeren, so doch zumindest der psychischen Realität des postmodernen Subjekts.
Wo das Trauma dauernd droht, braucht es folgerichtig auch eine ständige Vorbeugung. Kaum ein sozialer Ort kommt noch ohne einen Regelkanon aus, der den Interagierenden einbläut, wie sie sich richtig, das heißt anerkennend und nicht-verletzend zu verhalten haben. Was in Kindergarten und Grundschule noch angemessen ist, weil dort Kindern basale Umgangsformen gelehrt werden, mutet im Universitätsseminar oder am Arbeitsplatz an, als wäre man ausschließlich von Trieb- und Gewalttätern umgeben, die es zu bändigen gälte. Opportun ist das Gespräch nur noch im Modus „gewaltfreier Kommunikation“, in der sensibel die heiligen „Bedürfnisse“ aller Beteiligten ausgelotet und akzeptiert werden. Der Andere wird nicht als Anderer angesprochen und gehört, sondern durch erweiterte Blasenbildung für die Dauer des „kommunikativen Akts“ einverleibt. Im Schnulz der „wahren Begegnung“ werden das Ich und sein Gegenüber zu einer Symbiose auf Zeit, was der Oberpriester der gewaltfreien Kommunikation, Marshall B. Rosenberg, als „einen Fluß zwischen mir und anderen“ bezeichnet, „der auf gegenseitigem Geben von Herzen beruht.“[39] „Kommunikation“ bezeichnet hierbei die letzte Schrumpfstufe des Gesprächs, das sich nurmehr um die Bedürfnisse und Gefühle der Interagierenden dreht, einen Gegenstand jenseits dessen schon gar nicht mehr kennt. Zunehmend werden auch Kontexte von dieser „Tyrannei der Intimität“[40] okkupiert, die vormals durch ein sachliches und distanziertes Verhältnis geprägt waren. Universitäre Veranstaltungen ohne Vorstellungsrunden, in der jede und jeder auch über das berichten soll, was er oder sie im Privatleben treibt, sind mittlerweile zur Seltenheit geworden. Die Frage, ob der Lesestoff für die aktuelle Sitzung stichhaltig war oder an der Sache vorbeiging, wird durch jene ersetzt, wie man sich bei der Lektüre eines Textes „gefühlt“ habe. Durch solche Formen der Privatisierung und Entsachlichung von Verständigung soll gewährleistet werden, dass sich die verunsicherten Subjekte stets wohl und behütet fühlen können, von Kritik und Wertung – der Todsünde gewaltfreier Kommunikation – verschont bleiben.
Wirklich perfektioniert wurde die Abschottung vom per se als übergriffig empfundenen Anderen bisher nur in der linken Szene, die auf ihren Veranstaltungen und in ihren „Freiräumen“ jede spontane, unreglementierte Begegnung als Gefahr begreift und mit allen Mitteln zu unterbinden weiß. Kontaktaufnahme, zumal in sexueller Form, wird in der linken Variante „orthogonaler Realität“ von vornherein als „Grenzüberschreitung“, als Perforation der präödipalen Blase gewertet und gilt erst dann als zulässig, wenn jede Unsicherheit und alle libidinösen Ambitionen durch formalisierte Vereindeutigung gebannt sind. Das Regime der Achtsamkeit, das in der Linken „Awareness“ heißt, stellt sicher, dass die Einzelnen, die von der Gesellschaft um ihr Glück gebracht werden, auch hier nicht dazu kommen. Vorderhand zur Prävention von Übergriffen entwickelt, konzipiert Awareness die Interagierenden als eine Horde unmündiger und zudem unter PTBS leidender Fragiler, die um jeden Preis vor unzumutbaren Blicken, Gesten, Worten und dem Anblick kultureller Aneignung beschützt werden müssen. Dieser achtsame Furor lässt sich kaum aus dem berechtigten Anspruch erklären, nachvollziehbare Gewaltprävention zu betreiben, die auf eine in der Tat verwilderte Krisenmännlichkeit und deren misogyne Enthemmung adäquat reagieren würde – denn die offenbare Realitätsferne der verzerrten Wahrnehmung einer bis zur Besinnungslosigkeit „sensiblen“ Linken ändert nichts an dem Sachverhalt, dass die androzentrische Gewalttätigkeit ein reales Problem darstellt.[41] Stattdessen handelt es sich um eine Schutzvorrichtung gegen die Außenwelt und den Anderen insgesamt, die a priori als Bedrohung erscheinen und die zuzulassen nur im Kontext ausufernder Regelwerke und der Gegenwart ihrer Exekutoren, der Awareness-Teams, möglich scheint. Ein Modell dieser zwischenmenschlichen Verelendung, die sich perfiderweise als herrschaftskritische Praxis versteht, gibt das „a-Team Freiburg“, das sich als Hilfspolizei für linke Veranstaltungen anbietet, um dort für die Aufrechterhaltung der monadischen Ordnung zu sorgen. Gebucht wurde das a-Team auch für eine queere Halloweenparty in einem linken Freiburger Zentrum, für welche das angeheuerte nicht-staatliche Ordnungsamt ein mehrseitiges Regelpapier erstellte, dessen Lesen „Bedingung für Einlass und Teilnahme an der Veranstaltung“ war. Neben allerlei Banalem finden sich darin vor allem formale Codes, die gewährleisten sollen, dass die „Grenzen“ der Anwesenden stets gewahrt bleiben. Und weil im Zweifelsfall den Verletzlichen nicht mal mehr ein „Nein“ zugemutet werden kann, gilt darüber hinaus: „,Vielleicht‘ heißt Nein. Keine Antwort heißt Nein. Nonverbale Gesten wie Wegschauen, Weggehen heißen Nein. Bedränge niemanden. Überrede niemanden. Respektiere die formulierte Grenze des Anderen. Auch Sprache kann diskriminierend oder grenzüberschreitend sein: Achte darauf, wie du kommunizierst.“ Diese Passage bezieht sich nicht einmal explizit auf sexuellen Kontakt, sondern auf jede Form verbaler oder non-verbaler Interaktion. Wo der Bezug zum Objekt verloren und die Subjekte im Umgang mit sich und anderen völlig verwahrlost sind, unfähig, auch subtilere Anzeichen von Zustimmung oder Abneigung zu geben und zu deuten, hilft nur noch der brachial verrohte Kodex: Vielleicht heißt nein. Dass etwa ein Flirt gegebenenfalls beim impliziten oder gar expliziten „Nein“ endet, selten aber mit einem klaren „Ja“ beginnt, dass also der sich anbahnende libidinöse Kontakt geradezu auf ein „Vielleicht“, auf die sich als erotische Spannung artikulierende Unsicherheit aufbaut, ist den woken Triebfeinden Anathema. Die Vereindeutigung der Sexualität im formalen Rahmen strikter Codes stigmatisiert die Triebäußerung als immer schon übergriffig, weil der Objektbezug gerade in der Überschreitung der eigenen narzisstischen „Grenze“ besteht. Wirklich prüde wird der Partykontrakt dann da, wo er explizit den „intimen“ Kontakt regelt beziehungsweise reglementiert: „Suche Dir dafür Orte, an denen Du sicher sein kannst, dass alle Anwesenden einverstanden sind, diesen Kontakt mitzuerleben.“ Sollten also die sich Küssenden und Begrabschenden in schamloser Ignoranz einfach loslegen, ohne vorher die Erlaubnis gegenwärtiger Partygäste eingeholt zu haben, dürfen und sollen sich die umstehenden Opfer dieses Übergriffs an die patrouillierenden Sittenwächter wenden. „Diese erkennst du an den grün leuchtenden Neon-Armbinden.“
Als besonders schützenswert gilt der Awareness-Linken die sogenannte Identität, die, sei sie nun sexuell, geschlechtlich oder ethnisch definiert, unter keinen Umständen „unsichtbar“ gemacht werden darf. Um das identitäre Sekuritätsbedürfnis von Leuten zu sichern, die schon traumatisiert werden, sobald man sie mit einem falschen Pronomen anspricht, hat sich das a-Team etwas Besonderes ausgedacht: „Du siehst Menschen ihr Geschlecht nicht an. Am Eingang gibt es Pronomenbuttons gegen einen kleinen Betrag, mit denen du deine gewünschten Pronomen für den Abend kommunizieren kannst. Wenn Menschen keinen Button tragen, frag diese nach ihren gewünschten Pronomen. Pronomen sind zum Beispiel: sie/ihr, they/them, mensch, er/ihm, xir/xim etc.“[42] So fehlen mensch, um im biederen Patchwork der Identitäten durch ultimative Selbstverdinglichung glücklich zu werden, nur noch ein paar weitere Anstecker, die über sexuelle Präferenzen, Beziehungsstatus, Flirtbereitschaft sowie die jeweiligen Privilegien oder Diskriminierungserfahrungen Auskunft geben. Fun ist bekanntlich ein Stahlbad.
Die Triebverleugnung der awareness-Fans, die als ostentativ friedliche Abwehr äußerer Zudringlichkeit daherkommt, manifestiert sich zielsicher als Aggression gegen diejenigen, die den links-evangelikalen Wertekanon nicht verinnerlicht haben oder – noch schlimmer – nicht verinnerlichen wollen. Wer den streng formalisierten Rahmen durch sein Verhalten oder seine Kritik überschreitet, wird aus den politisch korrekten Sekten verstoßen, wie sonst nur der Häretiker aus der katholischen Kirche. Wer etwa das Konzept der Definitionsmacht ablehnt, demzufolge kein objektives Kriterium mehr für die Bewertung eines Übergriffs herangezogen werden soll, sondern allein die Empfindung der vermeintlich oder tatsächlich betroffenen Person als Maßstab gilt,[43] handelt sich gewiss den Vorwurf des Sexismus und des Rassismus ein, gelegentlich gar die Unterstellung, „Existenzen“ oder „Identitäten zu vernichten“. Wie weit diese projektive Triebabwehr mittlerweile als sogenannte „cancel culture“ in den gesellschaftlichen Mainstream vorgedrungen ist, wo sich Katy Perry am Medienpranger für eine Haarmode verantworten muss, die angeblich nicht ihrer Ethnie entspreche, und Jamie Oliver für seine kulinarischen Aneignungen zur Rechenschaft gezogen wird, braucht kaum gesagt werden. Je mehr das Subjekt den Selbstzwang eines lustfeindlichen Reglements internalisiert, umso mehr teilt es gegen jene aus, die ihr Handeln nicht am repressiven Diktat ausrichten und somit das Subjekt noch daran erinnern, was es sich selber antut.
Seinen Anfang nahm der Tanz ums heilige Kalb der Identität in der Postmodernisierung des Feminismus und des Antirassismus seit den 1970er Jahren, die sich gegen einen Marxismus wandten, der Rassismus und Sexismus als läppische Nebenwidersprüche abkanzelte. Dieser richtige Impuls, aus dem einige starke Kritiken der androzentrischen Linken und ihrer Ableitungslogik hervorgegangen sind,[44] hat sich jedoch mit der Abkehr vom klassischen Marxismus letztlich auch von der Kritik gesellschaftlicher Totalität überhaupt verabschiedet. In einem Beitrag des „Combahee River Collective“, einer Gruppe schwarzer Lesben aus den USA, der gleichsam als Gründungsmanifest der Identitätspolitik gelten kann, heißt es dazu: „This focusing upon our own oppression is embodied in the concept of identity politics. We believe that the most profound and potentially most radical politics come directly out of our own identity, as opposed to working to end somebody else’s oppression.“[45] Was sich hier ankündigt, ist nicht nur die Isolation der Ideologie von ihrem gesamtgesellschaftlichen Kontext, sondern auch ein neuer Essenzialismus, in dem schwarze bzw. weibliche „Identität“ als subversive Kraft figuriert. Das vormalige revolutionäre Subjekt der Linken, die Arbeiterklasse, die durch ihre Stellung im Produktionsprozess prädestiniert gewesen sein soll, ein richtiges Bewusstsein auszubilden, erfährt hier lediglich ihre schlechte Aufhebung zugunsten eines diversifizierten Subjekts, dessen Idolisierung am selben Problem krankt wie die seines Vorgängers: so sehr die Selbstdefinition als Arbeiter lediglich an der immanenten Anerkennung und Integration interessiert war und keineswegs am kategorialen Umsturz der Verhältnisse, so wenig resultiert aus geschlechtlicher oder ethnischer Identität eine Kritik der Gesellschaft. Nicht zufällig hat sich die Identitätspolitik in den letzten fünf Jahrzehnten zu einem veritablen essenzialistischen Radikalsubjektivismus verfestigt, dem nur als Wahrheit gilt, was der oder die Betroffene für eine solche hält. Wer dagegen sich noch erdreistet, auf der Objektivität eines negativen Ganzen zu insistieren, das mehr ist als die Summe aus individuellen Privilegien und Diskriminierungserfahrungen, setzt sich zielsicher dem Zorn der identitären Götzendiener aus.
So nötig eine ideologiekritische Auseinandersetzung mit Identitätspolitik auch ist, mit ihr allein ist dem Phänomen, das die Triebstruktur des präödipalen Zerfallssubjekts zu seiner Voraussetzung hat, nicht beizukommen. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht das Buch „Race Experts“ der Historikerin Elisabeth Lasch-Quinn, die darin dem Zusammenhang von US-amerikanischem Antirassismus und den New-Age-Konzepten seit den späten 1960ern bis in die 2000er Jahre nachgeht. Lasch-Quinn konstatiert eine Transformation des Antirassismus von der Bürgerrechtsbewegung der 60er hin zum „black identity movement“ und bringt diese Wende mit der zu jener Zeit aufkommenden „culture of therapy“ in Verbindung. Die therapeutische Sensibilität, die das gesamte gesellschaftliche Leben in Begriffen individuellen Wachstums, emotionalen Wohlbefindens und gütiger Bestätigung interpretiert, habe die Sicht auf Rassismus wesentlich verändert. Hatte die Bürgerrechtsbewegung noch für einen egalitären Universalismus gekämpft, für eine gleichwertige Anerkennung der Schwarzen als amerikanische Staatsbürger, wandte sich der neue Antirassismus zunehmend von den Kategorien der Gesellschaft, der Politik und des Sozialen ab und avisierte den Einzelnen, seine individuellen Ansichten, Einstellungen und Verhaltensweisen, vor allem aber seine Emotionen, die – rationalisierend als Knetmasse imaginiert –, durch Training und Gruppentherapien in die Form politischer Korrektheit und wahrer Authentizität gebracht werden sollten.
1967 gründete sich mit „Racial Confrontation as Transcendental Experience“ eine der ersten „interracial encounter groups“. Den Vorgaben von New Age und Achtsamkeit gemäß sollten die Teilnehmer in Gruppensitzungen der sogenannten „Ethnotherapie“ absolute Selbstoffenbarung betreiben, indem sie aufgeschlossen, ehrlich und ohne etwas zurückzuhalten am „intense sharing of private secrets and pain“ partizipieren. Rassismus genauso wie das Leiden an ihm galt den Initiatoren als Ausdruck einer Selbstentfremdung, die in wahren Begegnungen aufgehoben werden könnte: „Racial confrontation can be an example for all kinds of human encounter. When it goes deep enough – past superficial niceties and role-playing – it can be a vehicle for transcendental experience.“[46] Die emotionale Katharsis im pseudo-therapeutischen Kontext soll Erlösung bringen für die Einzelnen und damit letztlich für die Gesellschaft als ganze. Die Wege dieser Selbstfindung differieren indes je nach Hautfarbe bzw. Identität. Wer mit dem Privileg des Weißseins behaftet ist, soll im Modus der Scham seine individuelle Schuld bekennen und im Seelenstriptease vor den anderen TeilnehmerInnen der ethnifizierten Selbstheilungssekte sich „as a racial being“ bekennen, das allein qua Hautfarbe zum Rassisten wird. Dabei gilt stets: wer leugnet, beweise damit unwiderlegbar seine Schuld. „Befreiung“ vom eigenen Rassismus meint hier nichts anderes als das ständig wiederholte, selbstkritische Bekenntnis zu ihm, weshalb die Therapie auch als lebenslanger Begleiter konzipiert wird, „the moment of emotional catharsis will never end“.[47] Schwarze umgekehrt will die Ethnotherapie von ihren angeblichen Minderwertigkeitskomplexen erlösen, indem sie angehalten werden, eine zu den Weißen reziproke Selbstrassifizierung zu betreiben, die nicht auf Schuld und Scham, sondern auf Selbstsetzung und vermeintlich authentischer Expressivität beruht.
In der Praxis ergibt sich dadurch nach Lasch-Quinn ein „harangue-flagellation-ritual“, das auf „black assertion“ einerseits und „white submission“ andererseits beruhe.[48] Über mehrere Kapitel hinweg schildert sie ein geradezu sado-masochistisches Verhältnis, in dem die weißen TeilnehmerInnen aufgefordert werden, sich zurückzunehmen, Kritik stets zu akzeptieren, umgekehrt keine Kritik an schwarzen TeilnehmerInnen zu üben, deren Aggressionen – die als „black anger“ gewürdigt werden – über sich ergehen zu lassen und nur zwecks Selbstanschuldigung den Mund aufzumachen. Die Fixierung von Ideologie an der essenzialisierten Identität duldet hierbei keine Differenzierungen. Wer weiß ist, ist schuldig, ganz unabhängig von der politischen Position des Einzelnen. Umgekehrt sollen Schwarze ihrem Ärger Luft machen und ihre emotionale Heilung dadurch bewerkstelligen, dass sie Weißen persönlich – unabhängig von deren Taten oder Standpunkten – das Übel des Rassismus zur Last legen.
Welcher narzisstische Mehrwert aus der „black assertion“ entspringt, die Anspruch auf allgemeine Akzeptanz und die Subordination der Weißen erhebt, liegt auf der Hand. Erklärungsbedürftiger hingegen scheint das Phänomen der „white submission“, die vorderhand als extreme, selbst-repressive Anerkennung der Außenwelt auftritt. Die reziproke Selbstrassifizierung von Schwarzen und Weißen resultiert nicht nur aus dem Geltungsbedürfnis derjenigen, die unmittelbar identitär davon profitieren, sondern vor allem aus der grundlegenden Verunsicherung eines Subjekts, dem die inneren Anhaltspunkte eines Über-Ichs abhanden gekommen sind, das sich daher umso mehr an extrinsische Regelwerke halten muss und ohne „feedback“ die Orientierung verliert. Die weißen TeilnehmerInnen der Ethnotherapie oder die heutigen ProponentInnen der Critical Whiteness können und wollen sich nicht mehr aufs eigene Urteil verlassen, sondern brauchen äußere Verhaltensvorschriften und Korrektive, um die Gewissheit zu entwickeln, nicht rassistisch zu sein – beziehungsweise die Gewissheit, es qua Weißheit doch zu sein. Die symbiotische Einheit, die das präödipale Subjekt anstrebt, suchen die kritisch Weißen und schuldig Privilegierten mittels Partizipation am Nimbus schwarzer – oder sonstiger – Identität zu konstituieren. Gerade die Unterordnung gewährt ihnen Sicherheit und Harmonie. Wer sich als „ally“ begreift, als „Verbündeter“, der hat zumindest Teil an der heiligen Identität derer, die er unterstützt. Eine, die ganz besonders gern ihre „Privilegien anbietet“, weiß im „Migrazine“ diese Partizipation qua Unterordnung als bereichernde Erfahrung zu beschreiben: „Die Sprache, die ich in den US-amerikanischen social-justice-Bewegungen erlernt habe, um über meine Rolle als weiße Person in der antirassistischen Arbeit zu sprechen, ist die Sprache der allies, der Verbündeten. Sie hören people of color zu und lernen von ihnen, über ihre eigenen Privilegien nachzudenken und Aktionen in verantwortungsvoller Weise gegenüber den Gemeinschaften of Color zu unternehmen.“ Melanie Bee, die „das In-den-Hintergrund-Treten und das Schaffen von Räumen für People of Color“ nicht nur als ihre eigene Aufgabe, sondern als die der „Solidarität“ überhaupt begreift, findet in ihrer Tätigkeit als Ressource auf zwei Beinen Bereicherung in der Kultivierung „authentischer, nachhaltiger Beziehungen“ zu People of Color. Denn die solidarische Arbeit dürfe nicht auf abstrakter Kritik der Verhältnisse oder theoretischem Wissen basieren, sondern entfalte sich nur dann, „wenn die ,weißen Verbündeten‘, die ,hetero Verbündeten‘, die ,männlichen Feministen‘ der Welt die Arbeit leisten, echte Beziehungen aufzubauen, die auf Liebe und Respekt basieren, nicht auf einem politisch korrekten Lexikon und Rhetorik.“ Indem Melanie Bee „relevante Beziehungen“ zu jenen aufbaut, die sie ihrem Jargon nach anhimmelt, hat sie Teil an der Minderheiten-Identität, die man den Empfängern der eigenen „Solidarität“ insgeheim neidet. Doch wer sich so unterordnet, hat dadurch immerhin das Recht erlangt, gegen all die Ignoranten vorzugehen, die sich nicht als allies begreifen: „Weiße: Tretet zurück, gebt nicht den Ton an und hört zu.“[49]
Im Minderheiten-Subjekt scheint der ally ein Ideal zu personifizieren, dem seine geballte Fürsorge gilt. Sein ostentativer Altruismus, der an Selbstaufopferung grenzt, soll nicht nur bewundert werden und den Lohn der Anerkennung abwerfen, sondern auch eine Nähe zum Objekt der Idealisierung stiften. Der reale Andere, der Opfer von Diskriminierung ist, wird in der psychischen Realität des allies als reine Unschuld imaginiert, als ein von allem gesellschaftlichen Übel angeblich Unbefleckter, als Inkarnation widerspruchsfreier Integrität und Authentizität. Um sich diesem projektiven Bild anzunähern, arbeitet der seinem Ichideal hörige ally auf masochistische Weise an sich selbst: permanente Reflexion der eigenen Privilegien, ständiges abstraktes – von realen Taten unabhängiges – Schuldeinbekenntnis, Subordination des eigenen „Sprechorts“, ein „Selbstkonzept“ als qua Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung essentiell Übergriffiger. Diese narzisstische Idealisierung des allies bleibt im gleichen Widerspruch befangen, den die präödipale Konstitution im Allgemeinen auszeichnet, denn das Ichideal bleibt unerreichbar – hier umso mehr, als der Hiatus zwischen Ich und personifiziertem Ideal nicht durch Tätigkeit oder Reflexion zu überwinden, sondern essenzialistisch fixiert ist. Abgesehen von Fällen, in denen sich etwa weiße US-Amerikanerinnen als Afroamerikanerinnen ausgeben[50], um die Passung von Ich und Ideal zu ermöglichen, bleibt das Erreichen des Ideals verwehrt. Die uneingestanden neidgeladene Idealisierung von Diskriminierungsopfern ist ihrem Triebmotiv nach prekär und droht daher auch, sobald die Frustrationen und Selbstverleugnungen im linken Sektenwesen einen gewissen Punkt überschritten haben, in ihr Gegenteil, die aggressive Anfeindung umzuschlagen. Dem Weltbild nach sind die linken Ethnopluralisten ohnehin kaum noch von jenen rechter Provenienz zu unterscheiden, mit denen sie im Moment der Umkehrung ihres normativen Vorzeichens identisch werden. Dass es den dienenden allies kaum um ihre Schützlinge zu tun ist, erhellt ferner aus der Entmündigung und Infantilisierung, die letztere erfahren. Denn wenn Schwarzen und anderen Diskriminierten jede Anschuldigung qua Definitionsmacht als legitim, jeder Ausraster als authentisch und jeder noch so dämliche Gedanke als durch ihren Sprechort verifiziert gilt, ist dies kein Ausweis von Respekt, sondern die Degradierung der solcherart „Idealisierten“ auf das Niveau von Kindern, denen Kritik und Einschränkung nicht zugemutet werden darf. Das personifizierte Ideal ist eine Projektion, die mit dem realen Individuum wenig zu tun hat und ihm gerade dann zum Unrecht gereicht, wenn es vermeintlich, wie früher nur die Partei, immer Recht hat.
- Die „Große Weigerung“
Im Zwangszusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft, die sich am Imperativ der Kapitalakkumulation ausrichtet, verinnerlichen die Einzelnen das Realitätsprinzip durch die Identifikation mit dem Vater, sind genötigt, den Trieb ein ums andere mal aufzuschieben, nur damit er letztlich doch nicht zur Erfüllung gelangt. Geht es nach Herbert Marcuse, dann ist Prometheus der „Archetypus des Helden des Leistungsprinzips […], der die Kultur um den Preis dauernden Leids schafft“, der den zweifelhaften „Fortschritt durch Unterdrückung“ erzwingt. Als sich Marcuse in „Triebstruktur und Gesellschaft“ 1955 so äußerte, konnte er den repressiv ödipalen Charakter noch als herrschende psychische Disposition des bürgerlichen Subjekts voraussetzen und zum Gegenstand der Kritik erklären. Die Abschaffung von Verhältnissen, unter denen permanenter Triebverzicht den Normalzustand bildet, integrierte Marcuse in einen utopischen Gegenentwurf, der nicht „auf die Kulturheroen der westlichen Welt“, sondern auf ein „anderes Realitätsprinzip“ setzte. Als Anti-Held dieser „sehr anderen Wirklichkeit“ figuriert Narziss, vermeintliches Inbild glücklicher und zweckloser Hingabe. Die Begriffe, in denen Marcuse den narzisstischen Charakter anhand literarischer Verarbeitungen des Mythos umschreibt, weisen indes nicht in die Richtung einer Triebbefreiung, sondern eher in die einer symbiotischen Dystopie – einer Dystopie also, die heute geradezu verwirklicht scheint. Die Beschreibung der narzisstischen Triebdisposition geschieht bei ihm in Worten, wie sie heute auch in Theorie und Praxis der Achtsamkeit Verwendung finden: „Fließen“, „zur Ruhe kommen“, „ewige Rückkehr“, „große Stille“, „Schlaf, Nacht, Paradies“ sind die Metaphern dessen, was Marcuse als emanzipatorischen Gegenentwurf zum ödipalen Charakter konzipiert. Wie die Erweckten einige Jahrzehnte später scheute auch Marcuse vor der Anpreisung des Todes als Versöhnung von Ich und Außenwelt nicht zurück: „Ist seine [d. h. Narziss‘] erotische Haltung dem Tode verwandt und bringt den Tod, dann sind Ruhe, Schlaf und Tod nicht schmerzlich getrennt und unterschieden: alle diese Stadien stehen unter dem Szepter des Nirwana-Prinzips.“[51] Unter Rekurs auf Freuds zweite Triebtheorie will er Narzissmus nicht als egoistische Selbstbezüglichkeit verstanden wissen, sondern als wahren, nicht durch Triebunterdrückung reglementierten Objektbezug, als „Verbundenheit mit dem All“. „Jenseits aller unreifen Autoerotik bezeichnet der Narzißmus eine fundamentale Bezogenheit zur Realität, die eine umfassende existentielle Ordnung schaffen könnte. In anderen Worten: der Narzißmus könnte den Keim eines andersartigen Realitätsprinzips enthalten: die libidinöse Kathexis des Ich (des eigenen Körpers) könnte zur Quelle und zum Reservoir einer neuen libidinösen Kathexis der Dingwelt werden – die Welt in eine neue Daseinsform überführen.“[52] Marcuses eigenwillige Freud-Interpretation beruht auf einem grundlegenden Missverständnis, denn Freud hatte keineswegs, wie Marcuse unterstellt, den Narzissmus als neue Form der Objektbindung ausgewiesen, sondern ihm im Gegenteil die „Abwendung des Interesses von der Außenwelt“ als Wesensmerkmal attestiert, welche „auf Kosten der Objektlibido“ vonstatten gehe.[53] Die „Verbundenheit mit dem All“, die Freud als Metapher für das narzisstische Triebziel verwendet und von der Marcuse schwärmt, wäre nur durch die Aufhebung der Trennung von Ich und Objekt zu erlangen, in einer Verschmelzung, in der keine Ichgrenze und damit auch kein Ich mehr existieren würde. Die narzisstische Triebfixierung ist damit der schiere Konterpart jeder Kathexis, beruht doch auch ein zwangloser Objektbezug darauf, das Objekt als eigenständiges Nicht-Ich wahrzunehmen, anstatt es durch Einverleibung verschwinden zu machen. Ein „Urbild der Großen Weigerung“[54] ist der Narzissmus, wie ihn Marcuse konzipierte und wie er heute als psychische Disposition besteht, nicht als Triebbefreiung hin zum Objekt, sondern als Befreiung vom Objekt, als Weigerung, Objektbindungen überhaupt noch aufzurichten.
Das präödipale Subjekt, das die Eigenständigkeit der Außenwelt nicht ertragen kann, drängt in die regressive Symbiose, womit einerseits die Möglichkeit kassiert wird, die Begegnung mit der Außenwelt als potentiell lustvoll zu erfahren, andererseits die Fähigkeit verstellt ist, bei einem Unlust bereitenden Gegenstand mit der Intention seiner Kritik und bestenfalls seiner Abschaffung zu verweilen. Die psychische Realität derer, die jede Eigenständigkeit des Objekts sowie jede nicht-reglementierte eigene Triebregung in den Zustand des Traumas versetzt, hat die äußere Realität schon vollkommen okkupiert und damit jedes Streben nach einer besseren abgewehrt. Die Flucht ins achtsame Nirwana, einverleibende Idealisierungen, awareness-Konzepte und andere hypertrophe Regelwerke zur Abwehr der Außenwelt markieren den Nullpunkt kritischer Auseinandersetzung mit den Verhältnissen, die zu überwinden wären. Das postmoderne Krisensubjekt, zumal in seiner linken Gestalt, trägt im Modus seiner alles überformenden Traumabewältigung erfolgreich dazu bei, das schlechte Ganze zu reproduzieren, das es schon gar nicht mehr denken kann. Gegen die symbiotische Blasenbildung der achtsamen Linken und ihre therapeutischen Praktiken auf der Trennung von Ich und Außenwelt und damit auf der Möglichkeit eines Realitätsbezugs zu insistieren, ist heute die Bedingung einer Gesellschaftskritik, die mehr sein will als die Traumabewältigung eines „Selbst“, dem die Rückkehr in die Symbiose zwar nicht gelingt, das aber gerade deshalb umso mehr auf die Abwehr der Wirklichkeit angewiesen bleibt und sich durch veritablen Realitätsverlust auszeichnet.
[1]Freud, Sigmund: Aus den Anfängen der Psychoanalyse. Briefe an Wilhelm Fließ, Abhandlungen und Notizen aus den Jahren 1887-1902, Frankfurt a. M. 1962, S. 186.
[2]Vgl. Laplanche, Jean; Pontalis, Jean-Bertrand: Das Vokabular der Psychoanalyse, Band 2, Frankfurt 1972, S.587-592.
[3]Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band 1 (Marx-Engels-Werke, Band 23), Berlin 2008, S. 86f.
[4]Stryz, Klaus: Sozialisation und Narzißmus. Gesellschaftlicher Wandel und die Veränderung von Charaktermerkmalen, Wiesbaden 1978, S. 11.
[5]Ebd.
[6]Adorno, Theodor W.: Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie, in: Gesammelte Werke, Band 8, Frankfurt a. M. 2003, S. 42-85, hier S. 55f.
[7]Raphael, Lutz: Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom, Frankfurt a. M. 2019, S. 9.
[8]Vgl. Kurz, Robert: Geld ohne Wert, Grundrisse zur Transformation der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 2012, S. 294-354.
[9]Scholz, Roswitha: Das Geschlecht des Kapitalismus. Feministische Theorien und die postmoderne Metamorphose des Kapitals, Bad Honnef 2011, S. 132-187.
[10]Man mag Freud diese Ausblendung des gesellschaftlichen Zusammenhangs seiner Patienten und damit seiner Analysen zum Vorwurf machen, kommt aber nicht umhin, gerade darin auch eine Stärke der Psychoanalyse im Kontrast zur Sozialpsychologie und ihren Milieustudien zu erkennen: Während diese eine einfache Passung von Objektivität und psychischer Konstitution supponiert, vermag die Psychoanalyse jenen Ort erst freizulegen, an dem Gesellschaft sich mit dem zuerst „Vorgesellschaftlichen“ des Triebes vermittelt. Vgl. Adorno (2003), S. 27.
[11]Freud, Sigmund: Das Ich und das Es, in: Studienausgabe, Band 3, Frankfurt a. M. 1980(a), S. 273-330, hier S. 296f.
[12]Ebd., S. 301f.
[13]Freud, Sigmund: Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, in: Studienausgabe, Band 1, Frankfurt a. M. 1980(b), S. 34-445, hier S. 20f.
[14]Mitscherlich, Alexander: Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft. Ideen zur Sozialpsychologie, München 1973.
[15]Freud, Sigmund: Zur Einführung des Narzißmus, in: Studienausgabe, Band 3, Frankfurt 1980(c), S. 37-68, hier S. 60f.
[16]Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft, Neuwied 1970, S. 76ff.
[17]Reckwitz, Andreas: Die Gesellschaft der Singularitäten, Berlin 2019, S. 246.
[18]Ehrenberg, Alain: Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der Gegenwart, Frankfurt a. M. 2004, S. 4.
[19]Ebd., S. 9.
[20]Die psychoanalytische Darstellung, wie sie in diesem Abschnitt vorgenommen wurde, bezieht sich lediglich auf die männliche Psychogenese, was fraglos ein Defizit markiert. Die weibliche Psychogenese in ihrer spezifischen Verlaufsform, sowohl vor dem Hintergrund moderner als auch postmoderner Vergesellschaftung, müsste reziprok hierzu als gleichwertiger Gegenstand entfaltet werden. Denn augenscheinlich weisen beide Geschlechter eine präödipale Disposition, eine Ausrichtung an narzisstischen Ichidealen auf, welche gleichwohl partiell differieren können. Obwohl sich traditionelle Geschlechterrollen und deren Verinnerlichungen bis heute halten, haben sie doch im Übergang zur Postmoderne eine Transformation durchlaufen, die nicht einfach mit dem Verweis auf Kontinuitäten überspielt werden kann. Permanente Selbstoptimierung und -verwirklichung, die kreative und innovative Inszenierung seiner selbst, das Streben nach Spiegelung und Anerkennung können durchaus als geschlechtsübergreifende Imperative verstanden werden. Zu fragen wäre also danach, wie sich weibliche Identitäten seit den 1970er Jahren verändert haben und wie diese Veränderungen psychoanalytisch zu greifen sind.
[21]Eitler, Pascal: „Selbstheilung“. Zur Somatisierung und Sakralisierung von Selbstverhältnissen im New Age (Westdeutschland 1970-1990), in: Maasen, Sabine (u.a.): Das beratene Selbst. Zur Genealogie der Therapeutisierung in den ,langen‘ Siebzigern, Bielefeld 2011, S. 161-181, hier S. 165.
[22]Tolle, Eckhart: Jetzt! Die Kraft der Gegenwart, Bielefeld 2021, S. 19.
[23]Ebd., S. 20f. Herv. i. O.
[24]Ebd., S. 56.
[25]Ebd., S. 74.
[26]Kabat-Zinn, Jon: Das heilende Potenzial der Achtsamkeit. Eine neue Art zu sein, Freiburg 2020, S. 10. Herv. i. O.
[27]Ebd., S. 53.
[28]Ebd., S. 20.
[29]Ebd., S. 137.
[30]Ebd., S. 74.
[31]Tolle (2021), S. 20.
[32]Ebd., S. 161.
[33]Ebd., S. 37.
[34]Kabat-Zinn (2020), S. 219, 236.
[35]Vgl. Tolle (2021), S. 34, 45f.
[36]Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur, in: Studienausgabe, Band 9, Frankfurt a. M. 1980 (d), S. 191-270, hier S. 210f., vgl. auch S. 204f.
[37]Kabat-Zinn (2020), S. 282, vgl. auch Tolle (2021), S. 68.
[38]Laplanche; Pontalis, (1972), S. 513.
[39]Rosenberg, Marshall B.: Gewaltfreie Kommunikation. Aufrichtig und einfühlsam miteinander sprechen, Paderborn 2003, S. 19.
[40]Sennett, Richard: Verfall und Ende des öffentlichen Lebens / Die Tyrannei der Intimität, Frankfurt a. M. 1986.
[41]Vgl. Schlauch, Patrice: Präödipale Monster. Zur Kritik der postmodernen Zerfallssubjektivität und ihrer destruktiven Entgrenzung (2020), online unter: https://fractura.online/praeoedipale-monster/ (zuletzt eingesehen am 23.11.2022).
[42]Alle Zitate aus: https://a-team.blog/2022/10/20/partyconsent/ (zuletzt eingesehen am 23.11.2022).
[43]So schreibt das Awareness-Team des Tübinger Epplehauses in entwaffnender Offenheit: „Dies bedeutet, dass eine betroffene Person, welche sich an uns wendet, selbst das Recht hat zu definieren, was sexualisierte Gewalt (oder andere Diskriminierungsformen) sind und, ob sie solche erlebt hat. Es geht also darum, statt objektiver Kriterien das subjektive Erleben einer Person in den Mittelpunkt zu rücken.“ (https://www.epplehaus.de/awareness72/, zuletzt eingesehen am 23.11.2022).
[44]Etwa die marxistisch-feministischen Kritiken der „Hausarbeit“. Vgl. dazu Schlauch, Patrice: „Kämpfe“, „Commons“ und Kitsch. Anmerkungen zu Silvia Federicis postoperaistischer Krisenverdrängung (2021), online unter: https://fractura.online/kaempfe-commons-und-kitsch/ (zuletzt eingesehen am 23.11. 2022).
[45]Combahee River Collective: The Combahee River Collective Statement (1977), online unter: https://www.blackpast.org/african-american-history/combahee-river-collective-statement-1977/ (zuletzt eingesehen am 23.11.2022).
[46]Zit. n. Lasch-Quinn, Elisabeth: Race Experts. How Racial Etiquette, Sensitivity Training, and New Age Therapy hijacked the Civil Rights Revolution, Lanham 2002, S. 88.
[47]Ebd., S. XVI.
[48]Ebd., S. 1-39.
[49]Alle Zitate aus: Bee, Melanie: Das Problem mit „Critical Whiteness“ (2013), online unter: https://www.migrazine.at/artikel/das-problem-mit-critical-whiteness (zuletzt eingesehen am 23.11.2022).
Die Substitution von Kritik durch Identität, die bisher vor allem aus Feminismus und Antirassismus bekannt war, hatte die Antisemitismuskritik lange nicht erfasst. Das liegt vorrangig daran, dass der partikularistischen Kritik der postmodernen Linken am Westen – oder dem, was sie dafür halten – und ihrer Idealisierung eines unterdrückten Subjekts Juden als „weiß“ und als Teil der „privilegierten Dominanzgesellschaft“ gelten. Dass gar ein jüdischer Staat existiert, der sich gegen die Angriffe arabischer Staaten und Terrorbanden zu verteidigen weiß, gibt den Postkolonialen und Queeren immer wieder Gelegenheit, Juden aus ihrer Community der Betroffenheit auszuschließen. Trotzdem scheint sich in Teilen der linken Szene herumgesprochen zu haben, dass es nicht unbedingt korrekt ist, Juden insgesamt mit dem angefeindeten „Apartheitsstaat“ Israel zu identifizieren. Wer also weiter unbehelligt sein antizionistisches Ressentiment, die heute opportune Form des Antisemitismus, ausleben möchte, tut gut daran, zumindest solche Juden ins identitäre Kuschelkollektiv zu integrieren, die sich pflichtschuldig vom „kolonialen Projekt“ distanzieren. Die passende Handlungsanweisung hierfür liefern Judith Coffey und Vivien Laumann mit ihrem Buch „Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen“, welches sich zur Aufgabe gesetzt hat, das Intersektionalitätsmodell um eine weitere „Achse“ zu ergänzen. Die Wortkomposition „Gojnormativität“, zusammengesetzt aus dem jiddischen „Goj“ für Nichtjude und der inflationierten Lieblingsvokabel der Linken, soll die selbstverständliche Norm des Nicht-Jüdisch-Seins bezeichnen und zugleich dazu beitragen, diese sichtbar zu machen. Zwar betonen die Autorinnen, mit ihrem Konzept keineswegs die Kritik des Antisemitismus ersetzen zu wollen, betreiben aber eine solche Substitution doch praktisch dadurch, dass sie der Linken ein Defizit an sichtbaren jüdischen Positionen attestieren und solcherart nahelegen, das Problem linker Theorie und Praxis bestünde primär in mangelnder Repräsentanz und weniger in ideologischen Positionen, die der Kritik zu unterziehen wären. Aus dem Antisemitismus als globaler Ideologie, die auch in der Linken ein Zuhause hat, wird ein unmittelbar persönliches Verhältnis, in dem Nichtjuden jüdische Identitäten unsichtbar machen und Juden unsichtbar gemacht werden. So echauffieren sich die beiden Autorinnen etwa über den Demo-Spruch „Oma, Opa und Hans-Peter: keine Opfer sondern Täter.“ Denn „solche Sprechakte produzieren einen Ausschluss an einer Stelle, an der es doch eigentlich um uns und unsere Familiengeschichten, um unsere Toten und unseren Schmerz gehen sollte. Deswegen fühlt es sich jedes mal wie ein Schlag ins Gesicht an, diese Sätze zu hören, egal wie gut die Intentionen der Sprecher_innen sind.“ Dass diese Parole, so dumpf sie auch sein mag, nicht unmittelbar die Großeltern der Skandierenden, keinen realen Hans-Peter und schon gar nicht die Angehörigen jüdischer DemoteilnehmerInnen meint, sondern den ideellen deutschen Gesamtopa adressiert und damit auf die proaktive Selbstintegration der Deutschen ins nationalsozialistische Mordkollektiv verweist, gerinnt den Autorinnen zur gojnormativen Ausblendung jüdischer Identitäten. Die identitäre „Kritik“ zielt nicht auf den Antizionismus der Linken, ihr Geschwätz vom israelischen Kolonialprojekt, ihre Sympathien für Terrororganisationen wie Hamas oder Hisbollah, die tendenziöse Kritik an der vermeintlichen Vereinnahmung des Holocaust-Gedenkens durch den jüdischen Staat oder die BDS-Kampagne, nicht also auf die Ideologie ihrer ProtagonistInnen, sondern auf deren Mangel an Sensibilität. Im sanft-autoritären Sozialarbeiterjargon empfehlen die Autorinnen nichtjüdischen KritikerInnen des Antisemitismus daher das, was aus postmodernem Antirassismus und Feminismus bereits hinlänglich bekannt ist: „Es wäre ein Anfang, wenn Gojim mit Empathie zuhören und mit Respekt und Behutsamkeit nachfragen würden.“ Coffey, Judith; Laumann, Vivien: Gojnormativität. Warum wir anders über Antisemitismus sprechen müssen, Berlin 2021, S. 43f, 141, 184.
[50]Vgl. https://www.spiegel.de/kultur/jessica-krug-weisse-professorin-aus-washington-d-c-gab-sich-als-schwarze-aus-a-233fe358-b82d-4779-94e6-818a5cac1510 (zuletzt eingesehen am 23.11.2022).
[51]Marcuse, Herbert: Triebstruktur und Gesellschaft. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Frankfurt 1965, S. 160-166.
[52]Ebd., S. 167f.
[53]Freud (1980(c)), S. 42.
[54]Marcuse (1965), S. 168.