Die Psychoanalyse ist out; das gilt vor allem für den Linksradikalismus. Dass die Sexualität ehedem als Einspruch gegen die vom Kapital gestiftete Zwangsvergesellschaftung ins Feld geführt wurde, vermag eine weithin postmodernisierte Linke bestenfalls als ein Relikt aus grauer Vorzeit zu fassen. Freie Liebe, einst zur Chiffre „revolutionärer Praxis“ auserkoren, wurde längst von der polyamorösen „Beziehungsarbeit“ substituiert und auch die pittoreske Utopie friedvollen Kommune-Daseins ist durch unzählige Workshops sowie Evaluationen aller Art gründlich ersetzt worden. Der sich in derartigen institutionalisierten „Selbstkonzeptionen“ niederschlagende Erfahrungsgehalt eigener Individualität speist sich aus einer permanenten „Arbeit am eigenen Selbst“, der ökonomischen Verwertung des eigenen Ichs qua beständiger Flexibilität und anhaltendem Kompetenzerwerb, die nicht zufällig aus der (post)68er-Linken hervorgebracht und von betriebswirtschaftlicher Seite aus Effizienzgründen erfolgreich adaptiert wurde. Wenn bis in linksradikale Kontexte hinein gruppendynamische Konflikte durch Supervision einer „friedlichen Lösung“ zugeführt werden sollen, kristallisiert sich die Wendung der gesellschaftlich produzierten Wut gegen das eigene Ich als Rationalisierung des universellen Leidens in ihrem unerbittlichen Selbstzwang heraus.
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