Die Psychoanalyse ist out; das gilt vor allem für den Linksradikalismus. Dass die Sexualität ehedem als Einspruch gegen die vom Kapital gestiftete Zwangsvergesellschaftung ins Feld geführt wurde, vermag eine weithin postmodernisierte Linke bestenfalls als ein Relikt aus grauer Vorzeit zu fassen. Freie Liebe, einst zur Chiffre „revolutionärer Praxis“ auserkoren, wurde längst von der polyamorösen „Beziehungsarbeit“ substituiert und auch die pittoreske Utopie friedvollen Kommune-Daseins ist durch unzählige Workshops sowie Evaluationen aller Art gründlich ersetzt worden. Der sich in derartigen institutionalisierten „Selbstkonzeptionen“ niederschlagende Erfahrungsgehalt eigener Individualität speist sich aus einer permanenten „Arbeit am eigenen Selbst“, der ökonomischen Verwertung des eigenen Ichs qua beständiger Flexibilität und anhaltendem Kompetenzerwerb, die nicht zufällig aus der (post)68er-Linken hervorgebracht und von betriebswirtschaftlicher Seite aus Effizienzgründen erfolgreich adaptiert wurde. Wenn bis in linksradikale Kontexte hinein gruppendynamische Konflikte durch Supervision einer „friedlichen Lösung“ zugeführt werden sollen, kristallisiert sich die Wendung der gesellschaftlich produzierten Wut gegen das eigene Ich als Rationalisierung des universellen Leidens in ihrem unerbittlichen Selbstzwang heraus.
Daniel Späth
Wie die kapitalistische Modernisierungsgeschichte und die aus ihrem immanenten Prozess der Verwertung blindwüchsig hervorgetriebene Produktivkraftentwicklung irreversibel sind, so gilt dies auch für ihre unkritische Verarbeitung, die in Zeiten der Fundamentalkrise nicht auf deren Überwindung zielt, sondern im Gegenteil auf ihre Notstandsverwaltung hinauszulaufen droht. Der barbarische Charakter des warenproduzierenden Patriarchats kennt weder eine theoretische, noch eine antipolitische Unschuld und schon gar nicht lässt er mit sich spielen, auch wenn das postmoderne Bewusstsein den Absturz in den immer ignoranter sich vollstreckenden Konkurrenzkampf am liebsten frohlockend und wie immer happy frisch fröhlich aushandeln würde, lauert ja die nächste „Chance“ womöglich schon an der nächsten Ecke. Trotz aller vordergründigen Kritik an der Fortschrittskategorie bleibt das postmoderne Zerfallssubjekt dem teleologischen Denken verhaftet, mit dem kleinen Unterschied, dass es unter den Bedingungen der globalen Krise schlicht keine gesellschaftliche Tragfähigkeit mehr vorfindet, weshalb sein Fortschrittshorizont auf die schiere Jetztzeit zusammenschmilzt. Der Fortschrittsgläubigkeit zu huldigen, muss jedoch nicht nur zwangsläufig in einer Verleugnung der Zukunft, sondern letztendlich ebenso in einer Verdrängung der Gegenwart münden. In der postmodernen Virtualisierung der Welt kommt der bürgerliche Fortschrittswahn zu seinem bizarren Ende.